Pflege Eulachtal

Tiere sind oft die beste Medizin

Katzen, Hunde, ein Nymphensittich und sogar zwei Hühner: Die Pflege Eulachtal hat auch tierische Mitbewohner, die immer wieder viel Freude bereiten.

Text: Daniela Schwegler | Fotografie: Dominik Reichen

Tigi, die Katze im Zentrum Sonne in Elsau, versetzt nachts manchmal das ganze Haus in Aufruhr, wenn sie wieder mal eine Maus anschleppt und die im Flur rumspringen lässt. «Die Bewohnenden rufen dann jeweils nach uns, wir müssten die Maus einfangen», erzählt Pflegefachfrau Elisabeth Sauter. Tiere bringen Leben in den Alltag der fünf Häuser der Pflege Eulachtal. Sie sind fester Bestandteil der Hausgemeinschaft, wecken Zuneigung und fürsorgliche Gefühle, geben Wärme, lassen sich streicheln, Spenden Trost und sorgen für Gesprächsstoff. Viele Leute machen die tierischen Mitbewohner glücklich. Einige vielleicht sogar glücklicher als die Menschen um sie herum, sagt Elisabeth Sauter augenzwinkernd. Wer die Menschen kennt, liebt die Tiere, würde etwa Frida Keller sagen, eine Bewohnerin der «Sonne».

Das Schöne an Tieren: Sie steigern allein schon durch ihre Anwesenheit das Wohlfühlgefühl. Tigerli etwa ist immer gerne bei Maria Renggli zu Besuch. Auch Blue, der Hauskater im Pflegezentrum Eulachtal in Elgg, hat seine Lieblingsplätze. Er weiss etwa, dass Getrud Brandner, eine Bewohnerin im ersten Stock, immer Leckerein für ihn parat hat und wartet jeden Morgen vor ihrer Tür, bis sie ihm Einlass gewährt. Nach der Fütterung macht es sich der Vierbeiner dann auf der Couch der Katzenliebhaberin bequem, was sowohl Kater wie Bewohnerin geniessen. «Die Leute sind aufgeweckter und munterer, wenn Blue rum ist», beobachtet Marco Heine, der Leiter einer Abteilung des Pflegezentrums. «Sie wollen ihn streicheln und sprechen auch mehr miteinander.» Der Kater sorge immer für Gesprächsstoff und wecke Erinnerungen. «Die Leute erinnern sich an Anekdoten von früher und kommen ins Erzählen.»

 

Erwiesene Wirkung

Dass Tiere einen positiven Einfluss auf Menschen haben und ihr Wohlbefinden nachhaltig steigern können, zeigen auch zahlreiche Studien. Die aktive Beziehung zu einem Tier senkt beispielsweise den Blutdruck, stärkt das Immunsystem, hilft zur Stressreduktion, zum Entspannen und hebt insgesamt das psychosoziale Wohlbefinden. Bei einer Bewohnerin mit depressiven Tendenzen zum Beispiel beobachtet Marco Heine, dass sie jedes Mal wie ausgewechselt sei, wenn sie die Hauskatze Blue füttere oder mit dem Hund einer Mitarbeiterin spazieren gehe. Besonders gross ist der Nutzen von Tieren auch bei Menschen mit einer fortschreitenden Demenz, die mit verbaler Kommunikation zum Teil überfordert sind. So sorgt Amy, der kleine Hund von Susan Böhmler, immer wieder für Lichtblicke im Alltag des Lichtblicks, dem Haus der Pflege Eulachtal für demenzkranke Menschen. «Sie begegnen der Hündin auf der Herzensebene und verstehen sich wortlos mit ihr», sagt sie. Gross sei die Freude auch gewesen, als Amy drei Junge hatte. Und das Entzücken ist beiderseitig, geniesst doch Amy den Alltag im «Lichtblick» ebenso. Die Streicheleinheiten sind ein richtiges Verwöhnprogramm für die Hündin und vom Ballspielen mit den Bewohnenden kann sie ebenfalls nicht genug bekommen. «Doch, doch, Amy macht einen guten Job hier», schmunzelt Susan Böhmler.

 

Ein Haus weiter, im Zentrum Wiesental in Wiesendangen, sind die beiden Hühner, die im Garten gackern, nicht mehr wegzudenken aus dem Alltagsleben. Und der Hund Nuggi von Teofila Hofer, einer Bewohnerin, gehört ebenso
fest zur Hausgemeinschaft. «Viele unserer Bewohnenden kommen aus einem ländlichen Umfeld und waren früher mal Bauern», sagt Zentrumsleiter Pascal Frei. Da hätten Kühe, Pferde, Schweine, Hasen oder Hühner als Nutztiere zum Leben dazugehört. Von diesen alten Zeiten zeugen auch zwei Bilder an der Wand von Pferden als Arbeitstieren. Ein Gespann schleppt Holz aus dem Wald, ein anderes Pferd ist vor einem meterhoch mit Heu beladenen Fuhrwagen gespannt. In der «Männerecke» hängen zudem drei Gemsgeweihe an der Wand – Erinnerungsstücke an die Jagd. Und prompt entwickelt sich am Männermittagstisch ein angeregtes Gespräch über die Zeit des
Zweiten Weltkriegs, als einer der Bewohner als Trainsoldat mit Pferden Kanonen durchs Land transportiert hat.

 

Reaktivierende Wirkung der Tiere

Die Hühner leben seit Ostern im «Wiesental». Eine Bäuerin aus dem Dorf hatte die Eier mitsamt Brutkasten vorbeigebracht, und Bewohner Robert Hänni habe sie zusammen mit seiner Frau Margot Ott gehütet wie seinen Augapfel und regelmässig gewendet unter der Wärmelampe, bis die «Bibeli» geschlüpft seien. Auch jetzt noch hüte der an Parkinson erkrankte einstige Bäcker-Konditor die Tiere mit viel Liebe und gehe mit dem Rollstuhl täglich – bei jedem Wetter – zu ihnen raus, um sie zu füttern und die Eier zu holen. «Tiere haben eine reaktivierende Wirkung», stellt Pascal Frei fest. Zumal die Hühner auch immer wieder für Lacher sorgten, wenn etwa jemand neckisch frage: «Von welchen Hühnern ist nochmals die Rede?»

 

Beliebt sei es unter den Bewohnenden auch, sich das Schauspiel des Hühnerstallausmistens vom Wohnzimmer anzusehen. «Ich würde dem Personal ja gerne dabei helfen», frotzelten sie dann zuweilen, «aber es geht halt nicht mit den schönen Schuhen und ohne Schürze…» Gezielt als therapeutisches Mittel will Zentrumsleiter Pascal Frei die Tiere nicht einsetzen. «Ich will keine Geisslein in den Garten stellen, nur um die Bewohnenden zu bespassen.» Vielmehr geht es ihm um den direkten Bezug zu einem Tier. Bei Teofila Hofer zum Beispiel sei ganz klar gewesen, dass sie nur mit ihrem «Nuggi» ins «Wiesental» umziehen würde. «Nähme man ihr den Hund weg, geht sie mit ihrem südamerikanischen Temperament entweder an die Decke oder ziemlich schnell ein», ist der Zentrumsleiter überzeugt. Pascal Frei weiss aber auch, dass Tiere nur für diejenigen einen positiven Effekt haben, die einen Zugang zu ihnen hätten. «Was für die eine schön ist, stinkt für den andern», bringt er es auf den Punkt. «Tiere bewegen, sei es positiv oder negativ. Das ist die Normalität, das gelebte Leben. So stumpft man nicht ab.» Zum Schluss meint er noch augenzwinkernd: «Eigentlich müssten wir hier im Garten ja einen Wisent halten, die waren mal heimisch in Wiesendangen.» Für Gesprächsstoff weit übers Zentrum Wiesental hinaus wäre damit jedenfalls gesorgt.


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